Gemmarius-Sculptor
- Der Steinschneider
7000 Jahre Glyptik

Von Babylonien nach Idar-Oberstein

Neues Buch - new book !

Politik in Edelstein

Gemmennachschnitte von Gerhard Schmidt

Gerhard Schmidt, Klaus Scherberich, Marcell Perse


168 Seiten, 178 Abbildungen
20 x 24 cm
gebunden
ISBN: 978-3-96176-096-1

Das Buch erscheint im Zusammenhang mit dem Ausstellungsprojekt
»Politik in Edelstein - Gemmennachschnitte von Gerhard Schmidt« im Museum Zitadelle Jülich (Mai–Dezember 2019),
in den Römerthermen Zülpich – Museum der Badekultur (Januar–April 2020),
in De Vondst – Centrum voor archeologie Limburg in Heerlen (Mai–Oktober 2020),
dem LWL-Römermuseum Haltern (März–Oktober 2021) und
im Centre Céramique Maastricht (November 2021–April 2022).

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MESOPOTAMIEN



Die Geschichte der Steinschneidekunst, der Glyptik,
beginnt mit den Siegeln, die uns die Völker im alten Mesopotamien, dem Gebiet der altorientalischen Stadtstaaten und Reiche der Sumerer, Akkader, Babylonier und Assyrer, hinterlassen haben. Babylonien, am Unterlauf der Flüsse Euphrat und Tigris, war vor ca. 7000 Jahren das Ursprungsland der Glyptik.

Der zeitliche Rahmen dieser Kunst umspannt also Jahrtausende. Mit fortschreitender Sesshaftwerdung der Menschen und der Herausbildung größerer Siedlungen bestand die Notwendigkeit, Eigentum zu „Versiegeln“ und dadurch vor unbefugter Öffnung zu schützen. Auch war so der Besitzer eindeutig zu identifizieren. Neben seiner Kontrollfunktion, der Sicherung eines Verschlusses gegen unbefugtes Öffnen, war das Siegel auch als Schmuckstück und Amulett sehr beliebt - eine Funktion, die sich bis heute erhalten hat.

Mit einer Technik, die das Gravierrädchen noch nicht kannte, entstanden so primitive Ritzungen, überwiegend geometrische Gitter, Stern- und Zick-Zack-Muster. Als Material benutzte man Holz, Knochen und später auch Ton, der nach der Ritzung gebrannt wurde. Aufgrund der geringen Haltbarkeit und Bruchanfälligkeit war dieses Material für Siegel, die auch eine Funktion als Beglaubigungsmittel im Rechtsverkehr hatten, nicht besonders gut geeignet, so dass bald die härteren Steine bevorzugt wurden. Sie waren wesentlich haltbarer und konnten mit den zur Verfügung stehenden einfachen spitzen Werkzeugen noch gut bearbeitet werden. Überwiegend wurden Kalkstein, Sandstein, Alabaster, Serpentin oder Marmor verarbeitet - wobei die farbigen Varietäten sehr beliebt waren. Der erste Nachweis der Siegel liegt im 5. Jahrtausend v. Chr.

Bereits im 4. Jahrtausend v. Chr. waren die Stempelsiegel im gesamten Vorderen Orient verbreitet. Das Siegelbild hatte eine überragende Bedeutung für Urkunden jeglicher Art. Mit mehreren Stempeln ließen sich diverse Zahl- und Bildschriftzeichen in Tontafeln eindrücken, wobei Bild und Schrift in ihren Anfängen identisch waren. Die erste Schrift der Menschheit ist aus diesen Siegelbildern entstanden. Um Fälschungen zu unterbinden, wurden immer wieder neue Variationen erfunden, so dass die kleinen Siegelflächen bald nicht mehr für die neuen Muster ausreichten. Die Siegelflächen wurden vergrößert, und in Längsrichtung durchbohrte Rollsiegel aus Stein entstanden. Auf den größeren Flächen konnten nun auch komplexere Szenen dargestellt werden. Die durchbohrten Rollsiegel wurden auf noch feuchtem Ton oder weichem Wachs abgerollt und ergaben so ein fortlaufendes Bildband.

 



Abrollung eines Rollsiegels  aus der Periode der Könige von Agade (Akkad) und Erech
ca. 2217-2193 v. Chr.
Serpentine
H. 3.9 cm; D. 2.6 cm

Aus der Sammlung De Clerq.
Dieses Siegel gehörte Ibni-Sharrum, dem Schreiber des Königs Sharkali-Sharri.
Die beiden nackten, knienden Helden sind symmetrisch angeordnet. Sie halten Vasen,
aus denen Wasser als Symbol der Fruchtbarkeit und des Überflusses sprudelt.
Zwei Arni (Wasserbüffel) trinken davon.

Dieses Rollsiegel ist typisch für den Stil der späten akkadischen Periode. Gravuren dieser Qualität
wurden nur für die königliche Familie oder hohe Würdenträger gefertigt.

 

 

 

Siegel und Abrollung  
ca. 2350-2150 v. Chr. Mesopotamien, Akkad-Zeit
Szene aus dem Etana-Mythos

Siegel H. 3.8 cm; D. 2.7 cm
Hier deckt sich, was sehr selten ist, eine literarische Überlieferung mit der bildlichen Darstellung.
Allerdings stammen die Texte aus späterer Zeit. Abgebildet ist das vorsintflutliche Etana-Motiv.
Bei der Etana-Erzählung handelt es sich wahrscheinlich um einen der ältesten epischen Texte in semitischer Sprache.
Die rechte Seite zeigt einen  Hirten und Herrscher,
der auf einem Adler zu Anu und Ischtar fliegt
um für seine kinderlose Frau das Gebärkraut (šammu ša alädi) zu erlangen.

Die linke Hälfte zeigt eine Darstellung aus dem Hirtenleben Etanas.

VMB, Inv. VA 3456 (Moortgat 234)

 

Etana war der erste irdische König nach der  großen Flut, der die erste Dynastie  von Kisch begründete. Etana erhielt den Beinamen „der Hirte, der zum Himmel aufstieg“.

Kisch war eine Stadt in Mesopotamien im Überschwemmungsgebiet der Flüße Euphrat und Tigris im heutigen Irak.
Kisch existierte von etwa 3000 v. Chr. bis 650 n. Chr. und wird sowohl in der Bibel als auch in  sumerischen Keilschrifttexten  erwähnt.

 

 

 


Abrollung eines Rollsiegels  aus der Periode der Könige von Agade und Erech, 3. Jahrtausend v. Chr.




Natürlich sind nicht alle Zylinder dieser Zeit so hervorragend gearbeitet wie die Rollsiegel von denen diese beiden Abrollungen mit Motiven aus der Götter- und Heldensage stammen. Die meisten Zylinder dieser Epoche sind einfacherer Art.



Rollsiegel aus Serpentin mit Abrollung.  Ugarit (heute: Ra's Schamra).
Netzwerk verbundener Linien.
2400-2200 v. Chr.

 

Bis weit ins 1. Jahrtausend v. Chr. werden noch Rollsiegel gefertigt. Eins der berühmtesten ist das 3,3 cm hohe Rollsiegel aus Calcedon vom Großkönig Darius I um 5oo v.Chr., das ihn auf einem Streitwagen bei der Löwenjagd zwischen Palmen zeigt. Über der Jagdzene, das geflügelte Ahura Mazda-Symbol. Auf der linken Seite eine Inschrift in drei Sprachen, altpersich, elamisch, babylonisch : Ich bin Darius der König.

 

 
Darius I auf einem Streitwagen bei der Löwenjagd um 5oo v. Chr.

 

 

       
 
 

Ägyptische Glyptik


Die babylonische Zylinderform wird auch von den aus dem Osten ins Niltal eingewanderten Ägyptern für ihre Siegel übernommen. Diese Zylinderform ist bis ins mittlere Reich nachzuweisen.
Doch bereits seit der vierten Dynastie wird der Skarabäus die gebräuchlichste Siegelform, die jedoch nicht weiterentwickelt wird.
Symbole, Ornament und Schrift bestimmten die Gestaltung der Siegelflächen, figürliche Bilder blieben die seltene Ausnahme.
Die Steinschneidekunst in der Zeit der Pharaonen blieb deshalb relativ bedeutungslos. Erst ca. 300 v. Chr. mit der makedonisch-griechischen Herrschaft über Ägypten durch die Ptolemäer kommt die Glyptik in Ägypten zu neuer Blüte.

Über viele Jahrhunderte hinweg beherrschten die aus dem Norden Griechenlands stammenden Ptolemäer als Fremdherrscher das Land am Nil. Ihre Hauptstadt Alexandria, die prachtvolle Stadt am Mittelmeer, war wahrscheinlich das Zentrum der ptolemäischen Glyptik.

stosch

Description des pierres gravées
du feu
Baron de Stosch

Nürnberg, 1776
Stich: Jean Adam Schweikart


 

   
Goldring mit einem Scarabäus aus kieselsäurehaltiger Fayence mit dem Namen Thutmosis I.,
18. Dynastie,
1504 v. Chr. bis 1492 v. Chr.

 

 

 

 

 

  

 

Links: Goldring mit Skarabäus aus Lapis-lazuli
Inschrift auf der Unterseite:
Im Namen des Königs Amenophis III

 ca. 1390–1353 v. Chr.    18. Dynastie

 

  Rechts: Goldring mit Skarabäus aus Jaspis
18. Dynastie

 

   

      
        

Goldring mit Karneol
Eine Figur vor einem Altar, darüber der Name Ha-ro-bes.

Die vertieft gravierte Unterseite zeigt den kämpfenden Prinz Amenemhat III , der einen Feind erschlägt. Inschrift Ra-en-ma.

1843 – 1798 v. Chr.  12. Dynastie

 

 



Karneol-Ring in Gold gefasst mit den Namen von Ramsés II ( links unten)
und seiner Frau Néfertari
( rechts unten)

1279 bis 1213 v. Chr. 19. Dynastie

 

 

 

 

Goldring aus Ägypten mit dem Auge des Re und des Horus aus Karneol.

Das mystische Auge sollte vor Schlangen und dem bösen Blick schützen.


 
                             http://www.gemmarius-sculptor.de

© Gerhard Schmidt 2009

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