1. Jahrhundert v. Chr. bis 7. Jahrhundert n.Chr.

 

Römische Glyptik

 

 



Türkisblauer Glaskameo, signiert von Heróphilos
(antike Abformung eines Stein-Kameos)
5,82 x 4,74 cm

Kunsthistorisches Museum, Wien

Drusus Maior

Drusus maior, signiert Heróphilos
(Nachschnitt aus Lagenachat, die verschollene Originalgravur wurde aus einem einfarbigen Stein gestaltet)
5,82 x 4,74 cm

 

 

Allmählich verbreitet sich der Gebrauch von Gemmen über ganz Italien - das Etruskische verliert an Bedeutung. Mitte des 1.Jahrhunderts vollzieht sich allmählich der Übergang vom frührömischen in den römischen Stil. Die Vorbilder für die Gemmen liefern jetzt die Rundplastik, die Reliefs und die Malerei. Unter Ausnutzung klassischer Vorbilder wird auch versucht, scheinbar Neues zu schaffen. Die Begeisterung der Römer für die griechische Kunst führt die Glyptik zu neuer Blüte. Man beginnt Gemmen zu sammeln, wodurch griechische Gemmenschneider, die ihre heimischen Auftraggeber verloren hatten, neue Mäzene in Italien finden. Durch ihre Inschriften sind viele Künstler, die durchwegs griechisch signierten und griechischer Herkunft sind, obwohl sie römische Namen tragen, bekannt. Diese Künstler beherrschten eine weitgefächerte Formensprache. Je nach Vorliebe des Auftraggebers konnten sie in den verschiedensten damals beliebten Stilen arbeiten - archaistisch, klassizistisch oder hellenistisch. Beliebt waren auch Kameen-Porträts von Mitgliedern des Kaiserhauses. Als Intaglien trug man auch gerne Porträts von berühmten Männern der Gegenwart und Vergangenheit wie den Philosophen Sokrates oder den Athener Politiker und Rhetoriker Demosthenes. Privatleute ließen ihr eigenes Porträt schneiden, um damit zu siegeln oder um es zu verschenken.

Die Signaturen auf den Gemmen dieser Zeit werden feiner, an die an die Schaft, Balken und Hastenenden (4b.) werden jetzt noch winzige kugelförmige Einschnitte angebracht, die für ein sehr klares Schriftbild sorgen. Der Sohn des Dioskurides, Hyllos, hat diese Art von Signatur in Vollendung beherrscht. Sein kleiner Kameo in Berlin mit der Büste eines schelmisch lachenden Satyrs mit Wuschelhaar und Pferdeohren ist aufwendig, auf einer Fläche von gerade einmal  1,7 x 7 mm, in drei Zeilen signiert:

 





„Hyllos, Sohn des Dioskurides, hat es gemacht.“

 

Dieser kleine, nur ca.18 x 14 mm große Kameo gehört zu den herausragenden Gravuren der Kaiserzeit. Furtwängler schreibt dazu: „Ein ganz meisterhaftes Werk von höchster Vollendung und Anmut“.

Abguss des Satyr-Kameo von Hyllos.    Nachschnitt von G. Schmidt.  (v.l.n.r.)

 
Von seinem Vater Dioskurides, einem bedeutenden Gemmenschneider dieser Zeit, der aus Aigeai in Kilikien stammte, ist ein signierter Kameo erhalten, er zeigt Herakles im Kampfe mit dem Kerberos. Dioskurides schuf auch ein kaiserliches Siegel mit dem Porträt des Augustus, mit dem auch fast alle nachfolgenden Kaiser bis ins 3. Jh. n. Chr. signierten (Plinius n. h. 37, 8).

Auch Agathangelos signierte im gleichen Stil. Ein schöner Karneol-Intaglio mit einem Männerporträt, der einst dem Maler Philipp Hackert – einem Freund von Goethe – gehörte befindet sich heute in der Berliner Antikensammlung.


Herakles im Kampfe mit dem Kerberos.

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Augustus mit Legionsadler im Lotharkreuz in Aachen
ca. 20 v.Chr.
Nachschnitt G. Schmidt 2014

 

Römische Kaiserkameen nennt man die Kameen, die mit der Entstehung des Prinzipats aufkamen, und die durch ihre Themen eng mit dem Kaiserhaus verbunden sind und sich überwiegend durch außergewöhnliche Größe und Qualität auszeichnen. Sie wurden in der kaiserlichen Schatzkammer aufbewahrt und waren wahrscheinlich nur wenigen Betrachtern zugänglich. Kleinere Kameen wurden auch von Mitgliedern der kaiserlichen Familie als Schmuckstücke getragen.
Der Adler Kameo, die Gemma Augustea und die Gemma Claudia  im Kunsthistorischen Museum in Wien und der ca. 24. n. Chr. gravierte Grand Camée de France in der Pariser Nationalbibliothek - mit seinen 32 x 26 cm der größte Kameo der Antike - zählen zu den Glanzstücken dieser Zeit. Sie entstanden in der Regierungszeit der Kaiser Augustus, Tiberius und Caligula.

 

 

  

Die Präsentation der Gemmen im Kunsthistorischen Museum in Wien.
In den 90er Jahren noch mit Tageslicht - heute, im modernen Ambiente, mit Diashow und Kunstlicht.

 

 

Adlerkameo

©KHM-Museumsverband (CC BY-NC-SA 4.0)

 




Adler-Kameo, nach 27 v. Chr.

Jupiters Adler überbringt die Siegespalme und die corona civica ( Eichenkranz).

Kunsthistorisches Museum, Wien

 

 

gemma augustea

Gemma Augustea
(Fragment, überarbeitet)

Das Original und der 2006 gefertigte Nachschnitt von G.Schmidt

Foto vom Original: © Kunsthistorisches Museum, Wien

Weitere Informationen finden sie hier. 

"Die Gemma Augustea, ein augusteisches Objekt
 imperatorischer Selbstdarstellung


 

 

 

 

  

Gemma Claudia
(überarbeitet)

Foto: © Gerhard Schmidt


Auf dem Kameo sind zwei gestaffelte Büsten von Ehepaaren dargestellt, rechts Germanicus (15 v. – 19 n. Chr.) und seine Frau Agrippina maior (14 v. – 33 n. Chr.), ihnen gegenüber erscheint Kaiser Claudius (10 v. Chr. - 54 n. Chr., reg. 41 – 54 n. Chr.), der Bruder des Germanicus mit seiner Nichte und letzten Frau Agrippina minor (16 – 59 n. Chr.) - der Tochter von Germanicus und Agrippina maior.


Der Claudius Kopf ist jedoch das Ergebnis einer Umwidmung!
Ursprünglich war hier ein Porträt von Kaiser Caligula (12 n.Chr. - 41 n. Chr., reg. 37 – 41 n. Chr) abgebildet. Auch der Kopf von Agrippina minor ist das Ergebnis einer Überarbeitung, hier befand sich ursprünglich die Caligula Schwester Drusilla.

 

Weitere Informationen über die Gemma Claudia
und zu der caliguläischen und claudischen Kameenkunst  finden sie hier

 

und in meinen Artikel, der 2019 im Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien 19/20 erschienen ist:
Gemma Claudia

und in meinem neuen Buch das im Nünnerich-Asmus Verlag erschienen ist:

Gemma Claudia

 


 
 
      


Grand Camée de France
24 n. Chr.

(Fragment, überarbeitet)

Nationalbibliothek, Paris
Kollektion, Louis XVI.


Foto: © Gerhard Schmidt



Weitere Informationen über den Grand Camée
finden sie hier
:

INFO

und hier:

INFO

 

 


  

  Kaiser Augustus mit Strahlenkrone und Tiberius Gemellus auf dem Grand Camée de France.


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Cabinet des Médailles, im alten Gebäude der Bibliothèque Nationale in der Rue de Richelieu, Paris.


Das ehemalige Kabinett von König Louis XV/XVI. In dem mit einem roten Tuch abgedeckten Tisch im Vordergrund, der mit vielen Schubladen ausgestattet ist, bewahrten die Könige ihre Gemmensammlung auf. Auf Befehl von Ludwig XVI. wird der Grand Camée am 1. Mai 1791 von der Sainte Chapelle ins Cabinet des Médailles gebracht.


Im Hintergrund ein Staatsporträt von Hyacinthe Rigaud aus dem Jahre 1701, König Ludwig XIV. im Krönungsornat.

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Augustus mit Stahlendiaden
(Überarbeitet)
ca. 14- 38 n.Chr.
Nachschnitt G. Schmidt 2014, Fotomontage mit der Originalfassung.

Info: G. SCHMIDT, Nachschnitte zweier Augustus-Kameen. Der Augustus-Kameo am Lotharkreuz in Aachen und der Augustus-Kameo mit Strahlendiadem aus der Sammlung Marlborough in Köln, in: Jülicher Geschichtsbläter Bd. 82/83/84, 2014/15/16 (2018).

 

 

 

Kaiser Nero und Agrippina minor ?

 

Amethyst Intaglio

Intaglio aus Amethyst, aus dem römischen Gräberfeld Xanten, Kreis Wesel, Viktorstraße 21, Grab 10,4.
21 x 24 x 6,8 mm; Gew. 4,4 g

 

Da die Arbeitsweisen der Gemmenschneider und der Einsatz ihrer Werkzeuge weitestgehend unbekannt und deshalb für den Laien kaum nachvollziehbar sind, werden antike Gemmen oft falsch beschrieben, weil Überarbeitungsspuren nicht erkannt oder falsch gedeutet werden. So wurde z.B. der schöne Intaglio aus Amethyst, der im Jahr 2000 aus Grab10 in Xanten gefunden wurde, mehrfach als »unvollendete Arbeit«  mit den Büsten des Kaisers Nero (37-68 n. Chr.) und seiner Mutter Agrippina d.J. (15-59 n. Chr.) bezeichnet. Dass dies nicht richtig sein kann, erkennt der erfahrene Gemmenschneider auf den ersten Blick.

Der einst fertiggestellte Intaglio, auf dem jetzt noch die Fragmente zweier qualitätsvoller gegenüberstehenden Büsten zu erkennen sind, wurde mittig überschliffen, deshalb fehlen jetzt, unter anderem, auch die Nasen und Münder. Die Überarbeitung des Steines mit seiner konvexen Oberfläche, diente wahrscheinlich dazu eine Beschädigung am Stein zu beseitigen, oder eine dritte, ursprünglich auf dem Stein dargestellte Person gezielt zu entfernen.

Dass eine dritte Person dargestellt war ist sicher, weil die noch vorhandenen Köpfe unterschiedlich tief graviert sind, die dritte Person war am flachsten graviert und lies sich deshalb mit wenig Mühe abschleifen. Bei einem capita opposita Intaglio mit nur zwei Köpfen werden beide Köpfe immer gleich tief graviert, dies ist hier nicht der Fall. Dass der Intaglio bereits fertiggestellt war, es handelt sich also nicht um eine unvollendete Arbeit, zeigen auch die bereits auf Hochglanz polierten Gesichter. Bei einem Intaglio ist dies immer der letzte Arbeitsschritt bevor der Stein eventuell noch Signiert wird.

Wie die Konstellation ursprünglich ausgesehen haben könnte zeigt ein Karneol Intaglio in Wien mit drei Köpfen, die als gestaffelte Büsten des Drusus Minor und des Germanicus gegenüber jener der Livilla bezeichnet werden (Inv. Nr. IXb 806). Belege für diese Benennung gibt es allerdings nicht.

Meine Autopsie am 29.09.2017 in Xanten hat gezeigt, dass auf dem Amethyst Intaglio aus dem Grab10 wahrscheinlich nicht Kaiser Nero und Agrippina minor dargestellt sind, da sie mit einer dritten Person nicht in Einklang zu bringen sind. Die Frisur der weiblichen Person, mit den nach hinten eingedrehten Löckchen, entfernt sich zwar etwas von den üblichen Frisuren der julisch-claudischen Zeit, wobei die Schulterlocken wiederrum für diese Zeit sprechen. Wer auf dem Amethyst Intaglio aus dem Grab10 in Xanten dargestellt ist, ist noch nicht gekärt.

 

 

 

 

 



Autopsie am 29.09.2017 in Xanten. Der Amethyst Intaglio neben dem Gipsabguss.

 

Literatur:

Gertrud Platz-Horster, Agrippina minor, die obsolete Mutter. Neue Gemmen aus Xanten. Bonner Jahrb. 201, 2001, S. 53 ff.

Clive Bridger, Edelsteine aus einem römischen Brandgrab in Xanten, S. 456- 458. In: VON ANFANG AN, Archäologie in Nordrhein-Westfalen 2005.

Erika Zwierlein-Diehl, Antike Gemmen und ihr Nachleben 2007,
S. 324; 503 Abb.980a-b.

Gertrud Platz-Horster, Die antiken Gemmen aus Xanten Teil III: Neufunde, Neuerwerbungen,
Nachträge und Auswertung, S. 162-164. In: XANTENER BERICHTE
Grabung - Forschung -Präsentation, Band 15, 2009.


Gertrud Platz-Horster, Seals in Transition Their Change of Function and Value in Late Antiquity.
In: ‘Gems of Heaven’ Recent Research on Engraved Gemstones in Late Antiquity, The British Museum, London 2011

 

 

 

 

 

  

Livia ?
als Göttin Pax mit Kerykeion und Füllhorn
Lagenachat mit fünf Lagen.
Ca. 1.Jh. n. Chr. ?
95 x 78 mm
Schaffhausen
   

          



Augustus als  Jupiter mit Blitz und Szepter. Zu seinen Füßen  sitzt der Adler.
 Lagenachat mit drei Lagen.

 Ca. 1.Jh. n. Chr. (?)
 94 χ 63 mm

Nationalbibliothek, Paris.


Claudius mit den Attributen des Jupiter
 ( ursprünglich Caligula?) 
Lagenachat mit drei Lagen.
Ca. 1.Jh. n. Chr. (?)
 51 x 40 mm
The Art Institut of Chicago

  


 


Jupiter als Serapis
Ca. 17. Jh. n. Chr.

Diese Gravur aus dem 17. Jh. ist den drei Kameen aus dem 1. Jh. n. Chr. nachempfunden.

Sankt Petersburg, Eremitage

 

 



Reiterkampf Kameo
Die Gefangennahme Valerians durch Schapur I. bei Edessa im Jahr 260. n. Chr.

3.Jh. n. Chr. oder 17. Jh. n. Chr. ?

Nationalbibliothek, Paris.



 

 



Abraxas Gemmen, Gnostische Gemmen oder Magische Gemmen  nennt man die kleinen Intaglien , die als Anhänger, in Ringen gefasst oder in kleinen Säckchen  aus Stoff oder Leder am Körper getragen wurden. Amulette zum Schutz vor Unheil, Gefahr und Krankheit.

Vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis ins 4. Jahrhundert n.Chr. gefertigt, überwiegend sehr einfach und flüchtig graviert, sind  Betrachter und Sammler bis heute fasziniert von dem Zauber den diese kleinen Kunstwerke entfalten. Ihren Höhepunkt hatte diese spezielle Gattung der Glyptik im 2. und 3. Jh. n. Chr..

Motive und Inschriften dieser Gemmen, die auch aus dem antiken Amulett- und Zauberwesen mit seinen magischen Texten und Rezepten übernommen wurden, sollten in den Bereichen Krankheit, göttliche Geheimnisse und Liebeszauber — in Verbindung mit der gewählten Steinart — ihre Wirkung entfalten.
Sehr oft findet man auf diesen Gemmen die Figur und den eingravierten Namen des schlangenbeinigen mit Hahnenkopf dargestellten „Abraxas“ , worauf die
heute kaum noch gebräuchliche Bezeichnung „Abraxas Gemmen“ zurückzuführen ist.
Der Abraxas-Kult ist bis ins Mittelalter lebendig geblieben und fand in der Renaissance wieder viele Anhänger.








   

ABRAXAS, die mystisch-orientalische Gottheit, vereint Licht und Dunkelheit, Leben und Tod, Göttliches und Teuflisches. 
Die Figur mit Hahnenkopf (Symbol des neuen Taglichts) ist in eine Rüstung gekleidet und hält Peitsche und Schild als Zeichen der Macht und des Sieges in den Händen. Zwei Schlangen, anstelle der Beine, symbolisieren Lebenskraft und Erneuerung.






 

 

Bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. werden noch qualitativ hochwertige Gemmen hergestellt, danach sinkt die Qualität der Gravuren sehr stark ab. Seit Konstantin dem Großen war Byzanz Sitz des römischen Kaiserreiches. Die Gemmensammlungen der römischen Kaiser wurden in konstantinischer Zeit von Rom nach Byzanz überführt, was die Byzantiner dazu anregte, sich auch in der Glyptik zu versuchen. Zu großer Kunstfertigkeit haben sie es jedoch nicht gebracht - die Virtuosität der augusteischen Gemmenschneider wurde nicht mehr erreicht.


  

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Der Belgrader Reiterkameo (Fragment).
Der einzige Kaiserkameo der je unter der Erde gefunden wurde.

3. Jahrhundert n. Chr. ?

 

 

 

 

Ada-Kameo,

auf dem Einband des karolingischen Ada-Evangeliars von 1499.
Der Kameo wurde umgeschliffen um ihn der Fassung von 1499 anzupassen.

Konstantin I. mit seiner Familie
ca. 320 n. Chr. ?

Lagenacht mit drei Lagen 10,7 x 8,5 mm
Stadtbibliothek,Trier

 

Im Westen geriet die Kunst des Gemmenschneidens nach dem 4. Jahrhundert immer mehr in Vergessenheit, während sie im Osten nie verloren ging, wo sie in der byzantinischen, sassanidischen und islamischen Kunst weiterlebte.


4b. Als Balken bezeichnet man die wagrechten, als Schaft oder Haste die senkrechten Striche eines Buchstabens.
        Hasten (von lat. hasta = Lanze) werden mehrere parallele Schäfte bezeichnet.


weiter>>
                                     http://www.gemmarius-sculptor.de

© Gerhard Schmidt 2009